Kapstadt ist umgeben von Elendsvierteln, den sogenannten Townships. stern.de-Autorin Gesine Unverzagt hat hinter die glitzernde Fassade einer der schönsten Städte der Welt geschaut.
Es ist ein schöner Tag, der Himmel blau die Sicht klar, der Tafelberg zum Greifen nah. Eine Palmenallee führt zum Table Bay Hotel und lässt die Luxusherberge im warmen Licht noch gigantischer wirken. Nebenan an der Victoria & Albert Waterfront, dem schicken Teil Kapstadts, ist viel los. Internationale Designerläden, teure Souvenirgeschäfte und edle Restaurants locken Touristen und wohlhabende Südafrikaner in die Shopping-Mall.
In der opulenten Empfangshalle des Hotels wartet Coleen, eine hübsche junge Farbige und Mitarbeiterin des Hauses. Sie möchte soziale Projekte zeigen, die von der Hotelkette unterstützt werden, möchte auf die soziale Verantwortung aufmerksam machen, die Wohlhabende in einem Land wie Südafrika haben.
Boomende Tourismusbranche
Langa liegt 15 km entfernt und ist das älteste Township Kapstadts mit 25.0000 Einwohnern. In einer einfachen Baracke befindet sich das "Eziko Cooking & Catering Center". Seit 1996 nimmt der Direktor Victor Mguqulwa Mädchen und Jungens aus Langa auf, um ihnen eine Zukunftsperspektive zu geben. Hier lernen sie kochen, eindecken, bedienen, alles was Voraussetzung ist, in der boomenden Tourismusbranche einen Job zu bekommen. Die jungen Leute sind hoch motiviert, täglich werden einheimische Gerichte gekocht, die den Touristen serviert werden, die an den inzwischen beliebten Townshiptouren teilnehmen.
"Wir bereiten die Jugendlichen aus den Wellblechhütten auf ein eventuelles Praktikum vor, denn wer in bitterster Armut aufwuchs, braucht eine Einführung in das Arbeitsleben," erklärt Viktor sein Projekt. Zahlreiche ausländische Sponsoren unterstützen seine Idee, die Hotelkette von Sun International liefert zwei Mal wöchentlich Lebensmittel. Wer sich besonders gut entwickelt, dem wird sogar ein Ausbildungsplatz angeboten.
Um die Lebensbedingungen besser zu verstehen, empfiehlt Victor eine Townshiptour mit John, einem freundlichen Mann vom Stamm des Xosas, der hier lebt. "Nicht alle Townships sind so sicher wie Langa", meint er. Oberstes Gesetz ist, niemandem etwas zu geben, das würde nur Neid schüren und nicht wirklich helfen. Wer unterstützen möchte, soll sich an Organisationen wenden, die wissen, wo Hilfe am meisten benötigt wird. Die Wohnsituation der Einwohner ist sehr unterschiedlich, im schlimmsten Fall leben zwölf Menschen in einem Raum. Im "Beverley Hills" von Langa, wie John diesen Teil nennt, handelt es sich um kleine Häuser, bei dem im Minivorgarten ein Auto parkt.
Überall spielen Kinder, aus allen Ecken kommen sie angelaufen, um mit den Fremden Kontakt aufzunehmen. Die Erwachsenen beobachten eher aus der Ferne, aber bedrohlich ist die Situation nicht. "Das große Problem Südafrikas sind die illegalen Einwanderer, die aus größter Not kommen und hier ihr Glück suchen." Ein Teil der Einnahmen der Townshiptouren fließen an soziale Projekte der besuchten Siedlungen.
In der Innenstadt von Cape Town hat Jakes seinen Arbeitsplatz. Er ist Leiter eines "Homestead", einem Zufluchtsort für Straßenjungs im Alter von sieben bis sechzehn. Zwanzig bis fünfundzwanzig Jungs versorgt er täglich nicht nur mit Frühstück und Mittagessen, er kümmert sich um sie und ihre Probleme. Armut, Vergewaltigung und Misshandlung sind die Gründe, die Kinder auf die Straße treiben. Seit sieben Jahren haben sie eine Zuflucht bei Jakes gefunden, er hört sich ihre Sorgen an oder spielt mit ihnen einfach Tischfußball. Auch Jakes´Drop Inn lebt von Spenden, das Table Bay Hotel liefert auch hier zweimal in der Woche Essen.
"Las Vegas Südafrikas"
190 Kilometer nordwestlich von Johannesburg liegt mitten im Buschland Sun City, eine Enklave aus Hotelburgen, Spielcasinos, Golfplätzen, einem Aquapark und Unterhaltungsshows. Das "Las Vegas Südafrikas" entstand mitten im Boputatswana, denn das Homeland lag außerhalb der strengen Sittengesetze des Apatheidsregimes. Dann wurde es stiller in Sun City, in Kapstadt und Johannesburg stehen inzwischen größere Spielpaläste als hier. Das Konzept wurde geändert, das Spielerparadies ist heute beliebtes Ausflugsziel für betuchte Johannesburger Familien. Besonders der künstliche See mit dem künstlichen Wellenbad bereitet größtes Vergnügen. Auch der von Menschenhand im ehemaligen Farmland gestaltete Pilanesberg-Nationalpark mit den "Big Five" ist beliebtes Ausflugsziel von Familien und Golfern, die ihre Ferien in Sun City verbringen.
"Wir sind froh, dass wieder mehr Besucher hierher kommen, denn wir haben eine große Verantwortung gegenüber den Bewohnern der Gegend. 300.000 Menschen wohnen rund um Sun City, die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch. Neben der Platingewinnung bleiben den Menschen nicht viele Möglichkeiten, Geld zu verdienen," meint Dan, verantwortlich für soziale Projekte des Vergnügungsparks. "Wir haben Schulen gebaut, Kindergärten und fördern Ausbildungsprojekte, sorgen für ärztliche Untersuchungen. Ich kenne die Dorfbewohner und ihre Sorgen. Gemeinsam mit dem Management versuchen wir neue Projekte zu finden, um das Überleben zu erleichtern."
Souvenirs aus alten Flaschen
Ein positives Beispiel ist Beauty. Die Frau sammelte Flaschen, bis man ihr den Rat gab, die Flaschen abzuschneiden, um daraus Gläser zu machen. Drei Monate wurde sie angeleitet, heute arbeiten zehn Leute für sie. Die kunstvoll geschliffenen Gläser finden in den Souvenirshops reißenden Absatz. In einem anderen Dorf leitet Martha den Craft Planet. Ausgediente Hotelwäsche und Handtücher werden zu Kissenbezügen, Wandteppichen und Puppen recycelt. Dan ist stolz auf seine Arbeit, glücklich den Dorfbewohnern wenigstens ein bisschen helfen zu können. Manchmal packt er sogar selber mit an. Als einem Mitarbeiter das Haus abbrannte, hat er tagelang gemauert und verputzt, bis die Familie wieder ein Dach über dem Kopf hatte.
"Unser größtes Problem jedoch ist Aids", sagt er. Ein kleines Dorf mit Lehmhütten hat Olga Mokwena in ein Hospital umgewandelt. Die von ihren Familien Verstoßenen werden hier aufgenommen, man kümmert sich liebevoll um sie, versorgt sie mit Kräuteressenzen, die manchmal sogar zur Gesundung führen könnten, wie sie behauptet. Olga ist eine stolze Frau von königlichem Blut, denn sie ist eine Verwandte des Königs von Swasiland. Durch ihre Heirat kam sie hierher und hat ihren Lebenssinn darin gefunden, den Schwachen zu helfen. Die Heilkräuter werden nach alten Rezepten ihrer Vorfahren gebräut, um die Lebenskraft wieder zu erwecken. Vor einer der Hütten hockt ein besonders hübscher Mann, zum Skelett abgemagert. Er hat an der Uni Computerwissenschaft studiert, hatte Großes vor, nun lebt er hier. Er ist sehr schwach, aber Hoffnung hat er doch noch. Neben ihm spielt ein kleines dickes Baby, ebenfalls HIV positiv.
Es ist interessant, Südafrika von einer anderen Seite zu erleben, Mitgefühl und Hilfsbereitschaft zu erfahren. Überall herrscht eine große Herzlichkeit, ein bleibendes Erlebnis einer besonderen Reise.
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