27.02.2020
Kapstadt - der letzte Tag
Ich weiß gar nicht mehr so genau, was wir am letzten Tag alles noch unternommen haben. Sicher bin ich mir nur, dass wir garantiert nochmal zum Abschied in einem Supermarkt vorbeigeschaut haben, eine Ginger Lemonde getrunken und ein letztes Stück Kuchen verdrückt haben. Und wir waren nochmal in dem netten Cafe in Buitenverwachting, wo uns das Dinner ja so gar nicht zugesagt hatte. Wir tranken Kaffee und Appletiser und aßen unseren zum Lunch von Giovannis in Greepoint, eine Institution, mitgebrachten Garnelencocktail mit Baguette. Das ist etwas, was wir uns häufiger auf einer Speisekarte gewünscht hätten.
Gambas, Scampi oder Garnelen mit Schale, Augen, Darm und Co, die man selber pulen muss, mögen wir beide so gar nicht. Ich mochte essen mit Händen aber auch eh noch nie gerne.
Im Giovannis entdeckte ich die Schale mit den richtig großen Garnelen erst ganz zum Schluss und bestellte 2 x 300 g Garnelencocktail. Die Mitarbeiterin staunte nicht schlecht, ich hingegen staunte auch nicht schlecht bei dem für unsere Verhältnisse günstigen Preis.
So genossen wir also unser letztes Mittagessen, es hatte sich auch ein klein wenig zugezogen, es war nicht so mehr warm wie die Tage zuvor.
Zurück im Hotel packten wir schonmal grob unsere Sachen, Gardinen, Teppiche, ach ja und die normalen Kleidungsstücke zusammen
Für unseren letzten Abend hatten wir nochmal das Beluga gebucht, weil wir das phänomenale Rinderfilet mit den skinny fries und der Pfeffersauce zum Trost vor der bevorstehenden Abreise brauchten.
Wir hatten wieder eine tolle Bedienung, sie lies mich sogar zwei Roseweine probieren, was angeblich nicht mehr erlaubt sei, aber sie tat es.
Ich entschied mich für einen, der aber nicht so kalt war, wie gehofft, weshalb ich um ein paar wenige Eiswürfel bat, auch wenn ich weiß, dass man keine Eiswürfel in Wein gibt.
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Zum absoluten, allerletzten und schlussendlichen Urlaubs-Abschluss tranken wir einen letzten Dom Pedro mit Amarula. Köstlich.
Wir fuhren mit einem Uber zurück ins Hotel und legten uns schlafen. Ich verspürte ein Völlegefühl, was nach drei Wochen des Schlemmens kein Wunder sein SOLLTE.
Ich erinnere mich noch, dass es bei mir eine unruhige Nacht war und ich nicht -wie sonst üblich- auf dem Bauch liegen konnte wegen dieses Völlegefühls.
Um 5 Uhr war Chris aus Nervosität vor der Abreise und wegen der vielen Gepäckstücken schon wach, ich auch. Und nun geht die heitere Geschichte los:
Ich schilderte Chris, dass es mir im Magen überhaupt nicht gut ginge, ich nicht auf dem Bauch liegen könne, mir etwas schwindelig und übel und ich total kraftlos sei. Das beunruhigte ihn schon ein wenig. Chris stand auf, duschte und machte sich schon fertig für ein frühes Frühstück. Ich wollte erstmal im Bett liegen bleiben. Aber alles wurde schlimmer. Irgendwann als Chris mich dann bat, aufzustehen und mich fertig zu machen, ging ich auf Toilette, wo ich -wie schreibe ich das jetzt vornehm?- erbrach. OH NO. Um 11 Uhr sollten/wollten und mussten wir auschecken, um den extra gebuchten Eco-Flug nach JNB zu nehmen, da erst ab JNB unser Business Class-Flug über London nach Düsseldorf startete. Wir hatten uns auch jeder noch ein extra Gepäckstück im Vorfeld online dazugebucht bei Comair, da wir ja neben dem normalen Gepäck noch Gardinen und einen Teppich mithatten ... völlig normale Dinge halt.....
Chris wurde nervös, zu Recht! Mittlerweile war er äusserst ernst und etwas blaß. Ich lies ihn alleine zu Frühstück gehen, wo wir uns von allen Mitarbeiterinnen noch verabschieden wollten. Ich bat ihn um eine Scheibe Toast oder Zwieback, bei deren Anblick ich gleich nochmal ins Badezimmer musste.
Ich meinte zu Chris, ich müsse jetzt noch etwas ruhig liegen und dann würde ich aufstehen. Aber mir ging es immer schlechter. Was man gewöhnt ist, wenn man mit mir Urlaub macht, ist, dass ab und an mal ein Arzt kommen muss, so auch dieses Mal.
Wir rätselten, was das bei mir sein könne: da wir alles identisch gegessen hatten, fiel die Vermutung auf die Eiswürfel. Aber ich hatte schon so oft Eiswürfel im Appletiser gehabt. Merkwürdig. Aber es war so wie es war. Mir war richtig übel, als der Arzt kam. Nach der Anamnese und der vielen überflüssigen Fragen, die aber ein Arzt wohl stellen muss, z.B. ob ich noch andere Medikamente nehme *NEIN*, ob ich Allergien habe *JA, Heuschnupfen* usw, bat er mir an, eine Art Vomex-Tabletten zu geben gegen die Übelkeit. Ich fragte ihn aus langjährigen Erfahrungen z.B. aus Vietnam, ob er das Mittel nicht auch als Injektion dabei hätte? DAS hatte mir schon oft geholfen. Er hatte es dabei, wies mich aber nachdrücklich darauf hin, dass die Spritze ETWAS müde machen würde. Egal, ich kannte das Zeug, rein damit, ich war noch nie müde davon.
Tja, irgendwann ist immer ein erstes Mal.
Nachdem der gute Mann für diese Behandlung 2500 Rand haben wollte, die er mit Kreditkarte gezahlt bekam (man stelle sich einen Arzt in Deutschland mit einem Kreditkartenlesegerät vor), lag ich erstmal im Bett wissend, jetzt würde alles gut.
Richtig und zugleich falsch.
Das Zeug wirkte hervorragend. Mir war nach gut 1 Stunde nicht mehr übel, ABER ich war so müde wie noch nie in meinem Leben
Ich wollte nicht aufstehen, mir war alles egal. Chris aber bettelte mich an, jetzt endlich aus dem Bett zu kommen und mich anzuziehen. Ich ging in Zeitlupe unter die Dusche, putze meine Zähne und zog mich an wie unter Hypnose. Ich konnte nicht stehen vor Müdigkeit, alles dauerte wie bei einem uralten Menschen. Es war der reinste Albtraum, wirklich. Ich übertreibe jetzt nicht, wenn ich behaupte, ich war eine Zumutung für jedermann, da ich nur liegen und schlafen wollte.
Wir fassen zusammen: wir hatten 2 Koffer mit Klamotten, zwei Rucksäcke, einen neuen Koffer mit einem Teppich und eine große Tasche mit 15 kg Gardinen. Irgendwie bekamen wir das ganze Zeug in den Aufzug und in die Lobby. Dort musste ich mich zum Bezahlen zusammenreissen, anwortete auf alle Fragen nur mit JA oder Nein. Muss ziemlich unfreundlich bewirkt haben. In der Lobby platzierte mich Chris auf einem Sofa mit dem Gepäck und holte den Wagen der in einer Strasse im Bo-Kaap stand. Im Auto schlief ich wieder ein. Kurz vor Ankunft am Flughafen bat mich Chris, mich etwas zusammen zu reißen und meinen Rücksack zu nehmen und die beiden Rollkoffer zu ziehen. Die Autorückgabe musste er machen, ich stand da nur wie ein Häufchen Elend neben und ging immer wieder in die Hocke, da ich vor Müdigkeit nicht stehe konnte. Mit dem Wagen war alles ok, also ab zur Gepäckabgabe. Ich hockte mich wieder hin, doch Chris flehte mich regelrecht an, mich eine Minute wieder zusammenzureißen und der Dame am Schalter mein Gesicht einmal zu zeigen. Gesagt, getan. 3 Koffer hatten Übergewicht mit 25-27 kg statt der erlaubten 23. Aber das interessierte die Damen glücklicherweise nicht.
Wir suchten auf einer Bank ein paar freie Sitze und -ihr glaubt es nicht- ich legte mich dick eingewickelt in meiner Winterjacke und Schal auf die Bank zum Schlafen (Beine hoch). Ich kam mir vor wie ein Obdachloser, aber mir war alles egal. Es gibt Bilder davon, die Chris gemacht hat. Heute lachen wir herzhaft darüber.
Irgendwie kam ich ins Flugzeug, schlief dort den gesamten Flug von CPT nach JNB über. In JNB mussten wir nochmal zum Zoll, da sich Chris die MWSt erstatten lassen wollte. Ich im Schlepptau. Mir tat er so leid, er war fix und fertig mit den Nerven. Ich denke, ich war schlimmer als Reisen mit Kleinkindern. Auch hier hatten wir Glück, dass der Zollbeamte nichts sehen wollte. Er stemplte alle Rechnungen ab, Chris gab die Koffer bei BA auf. Die Sicherheitskontrolle habe ich irgendwie passiert, ich erinnere mich nicht mehr daran. Sehrwohl aber an die Schlange vor dem tax refund-Büro, wo Chris noch die abgestempelten Rechnungen vorzeigen musste, um die Steuern zurückzuerhalten. Ich war wie unter Drogen und konnte nicht still stehen. Ich bewegte mich vom einen Bein aufs andere, hockte mich hin, stand wieder auf, ging ein paar Meter usw, also total verhaltensauffällig.
In der Lounge angekommen schnaufte Chris endlich durch. Alle Gepäckstücke waren aufgegeben, wir hatten nur noch unsere Rücksäcke, ich einen Platz in einem Sessel, wo ich wieder fast einschlief. Da ich noch nichts gegessen und getrunken hatte, versorgte mich Chris mit Wasser und einer Schale Chips. Von einem Chipsteil habe ich auch einmal abgebissen, das Glas Wasser halb getrunken. Das Essen muss so gut gewesen sein in der Lounge, da Chris mehrere Male zum Buffet ging. Aber was hatte der arme Kerl auch für Torturen hinter sich. In der Zwischenzeit rief mein Vater auf dem Handy an, um sich zu erkundigen, ob alles geklappt hat und der Flieger pünktlich geht. Ich erzählte ihm lallend irgendwas, übergab das Telefon dann aber an Chris. Mein Vater gab mir zum Schluss dann noch den Rat, bei der Ankunft in London nicht den Schal und die Winterjacke bis oben hin geschlossen zu halten, um nicht krank zu wirken und beim potentiellen Fieber messen ebenfalls nicht aufzufallen. Aber weder in London noch in Düsseldorf hat sich irgendwer für unsere Körpertemperatur interessiert.
Als wir dann an Bord Platz genommen hatten, lies die Wirkung der Spritze fast zeitgleich nach, so langsam kam ich zurück aus denem Delirium. Auf einmal bekam ich sogar richtig Appetit, hatte ich bisher ja nur einen halben Chips gegessen. Die Suppe schmeckte und ebenfalls das an Bord servierte Rindfleisch. Den gesamten Flug über konnte ich nun nicht mehr schlafen, während Chris im Sitz hinter mir vor lauter Erschöpfung durchschlief. Wir landeten pünktlich, der Anschlussflug nach Düsseldorf verlief ebenfalls problemlos, und da waren wir wieder im kalten Deustchland, wo zwei Wochen später der erste Lockdown meines Lebens beginnen sollte. Wir hatten sowas von Glück, letztes Jahr diesen Traumurlaub noch erleben zu dürfen.
Ich sage Euch, das war was. Es fühlte sich so schlimm an, dass Du nur noch schlafen möchtest und nichts alleine mehr auf die Reihe bekommst. Der Abschied von Kapstadts war also eine Katastrophe... vor allem für Chris. Dennoch erinnern wir uns gerne an jeden einzelnen Tag (bis auf den Abreisetag) und hoffen, dass wir in 2022 wieder fliegen können bzw. dürfen.